Entsagung


Von allen Entsagungen ist es die schwerste, auf seine guten Gewohnheiten zu verzichten.

In den Büchern findet man vieles über Entsagung - da steht, man müsse auf Besitz verzichten, auf alles Anhängen, alles Begehren. Doch bin ich zu dem Schluß gekommen, daß ihr, solange ihr noch auf etwas verzichten müßt, noch gar nicht auf dem Weg seid. Denn solange ihr der Dinge, so wie sie sind, nicht völlig überdrüssig seid und noch eine Anstrengung machen müßt sie abzuweisen, seid ihr nicht bereit für die übergeistige Verwirklichung.

Wenn die Ausprägungen des Obergeistes - die Welt, die er gebaut hat, und die bestehende Ordnung, die er unterstützt - euch immer noch befriedigt, könnt ihr nicht hoffen, an der neuen Verwirklichung teilzunehmen. Erst wenn ihr die jetzige Welt, unerträglich und unannehmbar findet, seid ihr reif für eine Bewußtseinswandlung.

Darum halte ich nichts von der Idee der Entsagung. Wenn ihr auf etwas verzichtet, einer Sache entsagt, so heißt das, ihr müßt etwas aufgeben, was ihr schätzt, etwas zurückweisen, was euch wert scheint behalten zu werden.

Ihr müßtet im Gegenteil die Empfindung haben, daß diese Welt häßlich, dumm, brutal und voll unerträglichen Leidens ist; und wenn ihr so empfindet, dann schreit das ganze physische und materielle Bewußtsein, das nicht will, daß dem so sei und das daran arbeitet, daß dies sich ändere: "Ich will etwas anderes, etwas, das wahr und schön ist, voll Glückseligkeit, Wissen und Bewußtsein!" Hier schwimmt alles auf einem Meer von dunklem Unbewußtsein.

Wollt ihr aber Gott mit all eurem Willen, all eurer Entschlossenheit, all eurer Sehnsucht und Eindringlichkeit, dann kommt Er gewiss.

*Mira Alfassa, Die Mutter, (*1878 -1973)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen