Seelenvogel - Kenner der Geheimnisse

"Die Sonne verliert aus Liebe zu Dir das Bewusstsein. Jede Nacht färbt sie sich das Gesicht schwarz."

"Man muss den König kennen, damit man ihn versteckt in 100 Kleidern, erschaut."

"Zu Seinen acht Paradiesen gibt es nur eine Schwelle und zu den sieben Höllen nicht mehr als einen Riegel."

Schau, diese Welt und jene Welt sind Er. Es gibt nichts außer Ihm und wenn doch, ist auch das Er. Alles ist ein Wesen, aber mit verschiedenen Eigenschaften. Alles ist nur ein anderes Wort und ein anderer Ausdruck. Keinen Fehler begeht der, der weiß, wer Er ist. Weil Er alles ist, woher sollen dann Fehler kommen? Fehlerhaft zu sein ist ein Zustand aus der Sicht eines unfähigen Mannes. Oh weh! Niemand hat die Fähigkeit dazu, die Blicke sind blind und die Welt ist voller Sonne. Alle, oh Wunder, protestieren, entschuldigen sich und suchen nach Ausflüchten.


Lob auf den reinen Schöpfer der Seele, der dem Staub Leben und Glauben schenkte. Er stellte den Thron auf das Wasser als sein Fundament, den Erdenwesen brachte Er Leben durch seinen Atem. Den Himmel ordnete Er der Überlegenheit zu, den Staub der niederen Absicht.


Dem Einen gab Er ständige Bewegung, dem anderen ständige Ruhe. Den Himmel stellte Er wie ein Zelt auf, stattete es ohne Pfosten aus und platzierte es über der Erde. In sechs Tagen brachte Er sieben Planeten hervor und aus zwei Buchstaben wurden neun Himmelskuppeln. Er vergoldete die Spielsteine der Planeten und verlor jede Nacht beim Spiel an die Himmelsschichten einen Stein. Dem Netz des Körpers gab Er unterschiedliche Zustände, dem Seelenvogel machte Er den Staub zu Eigen. Das Meer schmolz in Hingabe zu Ihm. Den Berg machte Er aus Furcht vor Ihm reglos, dem Meer vor Durst die Lippen trocken, den Stein zu Smaragd und das Blut zu Moschus. Gabriel setzte er vor ihr reines Angesicht. Dies alles schuf Er aus der Substanz des Staubes. Den mächtigen Verstand unterwarf Er dem spirituellem Gesetz. Den Körper belebte Er mit der Seele und die Seele mit dem Glauben. Dem Berg gab Er sowohl Spitze als auch Mitte, damit er sie unter Seiner Leitung erhebe. Mal band Er über dem Feuer Blumen zu einem Strauß zusammen, und mal baute Er eine Brücke über das Meer. Er ließ eine kleine Mücke über den Feind herfallen, der sie 400 Jahre über sich hatte. 

Einer Spinne gab Er in Weisheit ein Netz, und dem Führer der Welt, Prophet Mohammad, dadurch Ruhe. Er band der Ameise die Taille so dünn wie ein Haar und stellte sie Salomon gegenüber. Er gab ihr das schwarze Ehrenkleid der Kinder von Abbas und das ta und sin der 27. Sure, ohne sie einzufangen. Wenn Er eine Nadel bei Jesus sah, dann hat Er sie sofort zum Vorschein gebracht. Die Bergspitze machte er blutrot von Tulpen, den lotusartigen Blumengarten holte er aus dem Rauch.Stück für Stück machte er den Staub zu Blut, um daraus Achat und Rubin zu gewinnen. Um Ihn anzubeten legten Sonne und Mond Tag und Nacht ihre Stirn in den Staub des Weges. Ihr Angesicht existiert von der Anbetung.Wann gab es je ein Angesicht ohne Anbetung? Der Tag wurde wegen seiner Freilassung weiß, die Nacht verkohlte wegen ihrer Ergreifung. Dem Papageien flocht Er ein Halsband aus Gold, den Wiedehopf machte Er zum Boten des Propheten. 

Der Sonnenvogel schlug auf seinem Weg die Federn an Seiner Tür auf wie ein runder Eisenring. Dem Firmament gab Er den Tag- und Nachtwechsel: Wenn Er die Nacht wegträgt, bringt Er den Tag und es wird hell. Als Er einen Atem in den Lehm hauchte, schuf Er den Menschen und aus Schaum und Rauch die ganze Welt. Mal gibt Er einem Hund den Weg zur Schwelle frei, mal öffnet Er den Weg einer Katze. Wie Er den Hund seinem Besitzer nahe stellt, kann Er den starken Mann auch mit einem Hund in Verbindung bringen. Von den Bewohnern des Himmels machte Er das Rund der Sonne zum Herrn des Firmaments. Mal gab Er einem Stock etwas von Salomon, mal schenkte Er der Ameise die Fähigkeit zu sprechen. Aus dem Stock ließ Er eine dicke Schlange werden und aus einem Ofen entfachte Er einen Windsturm. Wenn sich ein Planet am Himmel erhebt, macht Er aus seinem Halbmond ein Hufeisen im Feuer. Aus einem Stein brachte Er eine Kamelstute und aus einem schluchzenden Klagen ein goldenes Kalb hervor.


Im Winter streut Er Silber aus, im Herbst macht Er die Baumkronen golden. Wenn jemand eine Dolchspitze in Blut tränkt, macht Er daraus eine Knospe mit Blut an der Spitze. Dem Jasmin gibt Er vier Füße, der Tulpe eine blutgefärbte Haube. Mal gibt Er dem Scheitel der Narzisse eine gelbe Krone und mal legt Er einen Edelstein aus Tau hinein. Der erfahrene Verstand und die liebe Seele sind von Ihm. Der kreisende Himmel und die ruhende Erde sind von Ihm. Der Berg wurde durch Ihn zu Stein, das Meer durch einen Fingerzeig von Ihm zu Wasser. Sein Boden blieb mit Staub bedeckt und das Firmament verharrte wie ein Eisenring an der Tür. Zu Seinen acht Paradiesen gibt es nur eine Schwelle und zu den sieben Höllen nicht mehr als einen Riegel. Alle sind in Seiner Einheit versunken und was versunken ist, ist völlig vernichtet. Obgleich alle kleinen Dinge, vom Rücken des Fisches bis zum Mond, Zeugnis Seines Wesens sind, wären die Niedrigkeit des Staubes und die Höhe des Firmaments zwei ausreichende Zeugen. Er brachte den Wind, die Erde, das Feuer und das Blut und lüftete Sein Geheimnis durch alles. Unseren Staub machte Er zu Lehm innerhalb von vierzig Morgenröten. Danach gab Er der Seele darin Platz. Sobald die Seele in den Körper trat, wurde der Körper lebendig. Er gab ihm Verstand, damit er zu Ihm sehen könne. Sobald er zu Verstand kam, kam er zur Einsicht. Er gab ihm Wissen, um Erkenntnis zu gewinnen. Sobald er Erkenntnis gewann, gab Er ihm Unvermögen; Er setzte ihn in Erstaunen und lieferte ihn dem Körper aus. Ob der Feind vom Diesseits eingenommen ist oder der Freund, alle verneigen sich vor Ihm. Seine Weisheit liegt über allen. Oh Wunder! Er ist der Wächter aller. Den Berg nagelte Er zuerst in die Erde. Dann setzte Er das Meer darauf, während die Erde auf dem Rücken der Kuh, die Kuh auf dem Fisch und der Fisch in der Luft steht. Aber worauf steht die Luft? Auf nichts und fertig. Nichts ist nichts und alles ist nichts und fertig. Denke über die Kunstfertigkeit dieses Königs nach, der über das alles über dem Nichts wacht. Weil all das über dem Nichts von Einem stammt, so ist dies alles zweifellos auch nichts. Teil und Ganzes ist die Vernunft Seines reinen Wesens. Himmel und Erde sind ein Lehen einer Hand voll Seines Staubes. Der Himmel ist über dem Wasser und die Welt über der Luft. Nicht nur Wasser und Luft, alles ist Gott. Himmel und Welt sind nicht mehr als ein Orakel, sie sind Er und fertig und dies alles ist nicht mehr als ein Name.

 
Schau, diese Welt und jene Welt sind Er. Es gibt nichts außer Ihm und wenn doch, ist auch das Er. Alles ist ein Wesen, aber mit verschiedenen Eigenschaften. Alles ist nur ein anderes Wort und ein anderer Ausdruck. Man muss den König kennen, damit man ihn in 100 Kleidern erkennt. Keinen Fehler begeht der, der weiß, wer Er ist. Weil Er alles ist, woher sollen dann Fehler kommen? Fehlerhaft zu sein ist ein Zustand aus der Sicht eines unfähigen Mannes. Oh weh! Niemand hat die Fähigkeit dazu, die Blicke sind blind und die Welt ist voller Sonne. Wenn du merkst, dass du den Verstand verlierst, siehst du alles von Ihm und verlierst dich selbst. Alle, oh Wunder, protestieren, entschuldigen sich und suchen nach Ausflüchten.


Oh, vom eigenen Sichtbaren ist so viel unsichtbar, Deine ganze Welt ist unsichtbar. Bringe die Seele in den Körper und Dich in die Seele, bringe sie hinein, Seele der Seelen. Oh, der vor allen steht und mehr als alles ist – alle sind von Ihm und Er ist von allen. Ist Dein Dach voller Wächter und ist die Tür versperrt von Aufpassern, dass niemand den Weg zu Dir findet? Für den Verstand und die Seele gibt es zu Deinem Wesen keinen Weg und niemand kennt Deine Eigenschaften. Obgleich Du der verborgene Schatz in der Seele bist, bist Du zugleich auch sichtbar durch Körper und Seele. Alle Seelen sind ohne Zeichen von Deinem wahren Wesen, aber die Propheten opfern ihr Leben dem Staub auf dem Weg zu Dir. Obgleich der Verstand durch Dich existiert, aber wie kann er jemals zu Deinem wahren Wesen gelangen? Weil Du die Unendlichkeit in allem Existierenden bist, bandest Du allen vollkommen die Hände.

Du bist das Innere und Äußere der Seele. Sooft ich auch sage, das bist Du nicht, bist doch Du. Oh, der Verstand irrt auf der Suche nach Deiner Schwelle, ihm ging die Kenntnis verloren auf dem Weg zu Dir. Ich sehe klar, dass die ganze Welt von Dir ist, aber von Dir sehe ich in der Welt kein Zeichen. Jeder gibt von Dir einen Hinweis, doch selbst ist er kein Zeichen von Dir, Kenner der Geheimnisse. Trotz vieler Augen und offnenem, rundem Himmelsgewölbe, sieht man von Deinem Weg nicht das kleinste, runde Teil. Sogar die Erde sieht Dich nie, obgleich sie sich aus Schmerz um Dich Staub über das Haupt streut. Die Sonne verliert aus Liebe zu Dir das Bewusstsein. Jede Nacht färbt sie sich das Gesicht schwarz. Der Mond löst sich auf wegen Dir: Er wirft jeden Monat vor Verwunderung das Schild.

*Fariduddin Attar (1136–1220)