O Liebe ! Unendliche Güte !

O Liebe! Unendliche Güte!
Ich kann dir nicht mehr entfliehen!
Du bist mir überall voraus,
und ich finde dich überall.
Ich sehe dich nicht mehr wie durch Nebel,
sondern klar und offenbar.
Nichts Mittelndes ist mehr zwischen dir und mir.
Was soll ich nun tun? 


Wie werde ich auf dieser Erde leben
bei dem Licht und dem Feuer, das mich verzehrt?
Nie war ich wie heute verwirrt.
Die Kraft, die ich fühle, übertrifft alles Maß.
Ich weiß nicht, wohin mich wenden,
noch was sagen, nur dies:
Deine Liebe führt mich aus mir selber fort
und überwindet mich, wo immer ich bin.
ich sehe meine Seele von allen Dingen los und frei, so rein, so allein,
so abgeschieden, dass es scheint, als wohne sie nicht mehr
in meinem Leibe, der wie mich dünkt nichts anderes sucht
als der Seele wie unempfindlich zu folgen. Ich habe keine
Gedanken noch irgend etwas mehr, das mich aufhielte
oder beschäftigte, wie es sonst gemeiniglich geschieht.
Die Liebe, die mich verzehrt, kann niemand aussprechen,
niemand verstehen. Sie ist unendlich und wächst dennoch
alle Tage mehr und mehr.

~ ARMELLE NICOLAS, 1606-1671

 Das Tal der Liebe 

Um hier einzutreten, muss man ganz in Feuer tauchen, 
ja man muss selber Feuer sein, denn sonst könnte man 
da nicht leben. Der wahrhaft Liebende muss dem Feuer 
gleich sein, entflammten Angesichts, brennend und un- 
gestüm wie das Feuer. Um zu lieben, darf man keinen 
Hintergedanken haben; man muss bereit sein, hundert 
Welten ins Feuer zuwerfen; man muss weder Glauben 
noch Unglauben kennen, weder Zweifel noch Zuversicht 
hegen. Auf diesem Wege ist kein Unterschied zwischen 
Gut und Böse; wo die Liebe ist, sind Gut und Böse ent- 
schwunden . . . 

In diesem Tale ist die Liebe das Feuer und sein Rauch ist 
die Vernunft. Wenn die Liebe kommt, entflieht die Ver- 
nunft in Eile. Die Vernunft kann mit der Liebe 
nicht zusammen wohnen; die Liebe hat nichts zu schaffen 
mit der Vernunft des Menschen. Gewännest du einen 
rechten Blick der unsichtbaren Welt, dann erst vermöch- 
test du zu erkennen die Quelle der geheimnisreichen 
Liebe, die ich dir verkündige. Das Dasein der Liebe wird 
Blatt für Blatt völlig zerstört von der Trunkenheit der 
Liebe selbst.
 
 ~ Fariduddin Attar (1136-1220) 

die vollständigen Texte von Armelle & Attar sind hier zu finden:http://www.archive.org

oder hier:



Die Menschen sind wie drei Schmetterlinge vor einer Kerzenflamme. Der erste ging nahe heran und sagte: "Ich weiß Bescheid über die Liebe." Der zweite streifte die Flamme mit seinen Flügeln und sagte: "Ich weiß wie sehr die Flamme der Liebe brennt." Der dritte warf sich mitten in die Flamme und wurde verzehrt. Nur er weiß, was die Liebe ist.

~ Fariduddin Attar (1136-1220)